Der Regen hat auch über Nacht nicht nachgelassen und so fällt mir der Schritt nach draußen heute Morgen unheimlich schwer. Ein Wellnesstag mit Sauna und Massage wäre jetzt toll. Aber es hilft ja nichts.
Beim Wandern gibt es kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.
Unser heutiges Etappenziel lautet Kärlingerhaus. Wir folgen der Beschilderung Richtung Hundstodgatterl über die verfallene Trischübelalm. Bereits nach den ersten Schritten wird uns klar, was an dieser Stelle los wäre, wenn es ein paar Tage hintereinander regnen würde. Das Gries ist von kleinen Bächen durchzogen. Ein schmaler, zugewachsener Weg führt am Gries entlang und nach einer dreiviertel Stunde sind wir alle pitschnass. Ein Hoch auf Regenhose und Regenponcho, die das Gröbste abhalten.
Am Ende des Tals wird der Weg allmählich wieder steiler und wir müssen das Wasser erneut überqueren. Hier ist die Strömung schon deutlich stärker und es erfordert einiges an Konzentration und Trittsicherheit, um nicht baden zu gehen. An der Trischübelalm angekommen, gibt es nur eine kurze Trinkpause, da hier nichts zum längeren Verweilen einlädt und der Regen noch immer nicht nachgelassen hat.
Love Story im Nationalpark Berchtesgaden
Über viele Wurzeln und Steine, die heute richtig nass und rutschig sind, geht es weiter und schließlich erreichen wir die Hundstodgrube. Für mich ist es Liebe auf den ersten Blick. Und wie das bei Liebe auf den ersten Blick so ist, kann man sich oft nicht ganz erklären, warum. Der Ausblick ist einfach fantastisch. Ein schmaler Weg schlängelt sich durch die Grube, links und rechts davon stehen vereinzelt Büsche und Sträucher. Hinter einem Strauch versteckt sich eine Gams. Das Tal erscheint in einem saftigen Grün und wird links und rechts von kargem Fels eingesäumt. Wir laufen weiter und hinter der nächsten Wegbiegung entdecken wir die Verwandten der Gams. Eine ganze Herde lebt hier und macht sich schnell aus dem Staub als sie uns bemerkt. Auch wenn mich das Tal bereits im Regen in seinen Bann gezogen hat, bin ich mir sicher, dass es hier fantastisch wäre, wenn jetzt noch die Sonne scheinen würde. Wie gerne würde ich jetzt ein Foto machen! Das Wetter lässt es allerdings nicht zu und so wandern wir nun wieder über Fels und Geröll bergauf Richtung Hundstodgatterl.
Die Steine sind hier sehr eisenreich, was an deren rötlicher Färbung gut zu sehen ist. Dank des starken Windes sind sie inzwischen auch wieder trocken, sodass es sich etwas angenehmer läuft. Wir sehen sogar vereinzelt Neuschnee, der über Nacht gefallen ist und sich jetzt noch im Schatten der größeren und kleineren Felsen hält. Es fängt an zu graupeln, wir sind inzwischen auf 2.000 Metern angekommen und ohne richtige Handschuhe und Mütze ist es sehr kalt.
Winterfeeling am Hundstodgatterl
Mittlerweile ist es eine ziemliche Kletterei, um zum höchsten Punkt unserer heutigen Etappe zu gelangen und wir sehen sehr deutlich, wie der Gletscher in der letzten Eiszeit die Landschaft geprägt und die Steine geschliffen hat. Vereinzelt sind Schneefelder zu sehen. Eine äußerst unwirtliche, aber beeindruckende Gegend.
Am Hundstodgatterl auf 2.188 m Höhe angekommen, klatschen wir ab und freuen uns riesig hier zu stehen, auch wenn die Sicht noch immer schlecht ist und uns so der Blick auf das Steinerne Meer verwehrt bleibt. Der kräftige Wind hier oben zwingt uns, schnell weiterzugehen. Die Kletterei macht mir einen Heidenspaß, auch wenn ich immer konzentriert bleiben muss. Vroni hilft, wenn es nötig wird und bleibt in allen Lagen souverän.
Das Himmelreich – eine Idylle auf 1.800m Höhe
Es wird wieder etwas wärmer und nun regnet es auch nicht mehr. Wir wandern durch das sogenannte Himmelreich und der Blick auf das Steinerne Meer wird besser. Am nächsten Schild zweigt ein Weg zum Ingolstädter Haus ab. Es ist jetzt kurz vor 12 Uhr und heute Morgen hatten wir noch überlegt, einen kurzen Abstecher dorthin zu unternehmen. Es wäre ein Umweg von einer halben Stunde, aber da sich am Horizont erneut dicke, schwarze Wolken auftun und wir das Ingolstädter Haus aufgrund des Wetters nicht einmal sehen können, entscheiden wir direkt zum Kärlingerhaus weiterzugehen.
Der Weg durch das Himmelreich zieht sich am Rand des Steinernen Meeres ohne große Höhenunterschiede dahin. Hier grasen Schafe und wir sehen sogar ein recht neugieriges Murmeltier. Irgendwann fängt es wieder an zu regnen. Ein wenig traurig bin ich schon, dass es von diesem Tag wohl keine Fotos mehr geben wird.
Zum Kärlingerhaus im Gänsemarsch bergab
Nach einer Weile führt der Weg wieder hinab zum Kärlingerhaus. Dieses Wegstück ist, gelinde gesagt, grausam. Alles ist nass, ich laufe wie auf rohen Eiern, trotte im Gänsemarsch hinter den Anderen her und wünsche mir nur eine warme Suppe. 14.15 Uhr sind wir dann endlich da. Das Kärlingerhaus liegt auf 1.631 m direkt oberhalb des Funtensees. Ziemlich genau 6 Stunden haben wir bis hierher benötigt und wir sind heilfroh, jetzt die nassen Sachen ablegen zu können. Erleichtert stelle ich fest, dass meine Ausrüstung unversehrt und trocken geblieben ist. Die Hütte hat einen wirklich sehr großen Trockenraum für Schuhe und Bekleidung. Die Schlafräume sind ähnlich denen in der Wimbachgrieshütte und gegen eine Gebühr von 3 Euro kann man hier auch warm duschen. Statt Suppe entscheide ich mich für ein großes Stück Käsekuchen. Hier hat jemand wirklich Ahnung vom Backen. Die Hütte ist aufgrund des Wetters bereits gut besucht und die Zeit bis zum Abendessen ist daher kurzweiliger als ich gedacht habe. Eine ganze Truppe der DAV-Sektion Chemnitz stößt auch noch zu uns und so fühle ich mich im tiefsten Bayern doch sehr heimisch.
Auch wenn wir heute nicht ganz so erschöpft sind wie an den vergangenen beiden Abenden; Hüttenruhe ist dennoch 22 Uhr. Wie man sich korrekt und doch bequem in den Hüttenschlafsack kuschelt, haben wir inzwischen richtig gut drauf und am nächsten Morgen geht auch das Einrollen des Schlafsacks wieder ein bisschen besser als am Tag zuvor.