„Schaut mal, ein feuerspuckender Drache!“ Luis, Claudia und ich liegen im Gras hinter dem Berggasthof Trift und lassen die Wolken an uns vorbeiziehen. Begeistert erkennt Luis immer wieder neue Tiere und Kreaturen in den Wolkenformationen und auch wir fühlen uns wieder ein wenig wie Kinder. Unser letzter Tourentag liegt hinter uns. Später werden wir unser Hüttenlager beziehen und morgen gehen wir nur noch einmal runter ins Tal, nach Zermatt. Dann endet diese Wanderwoche in den Walliser Alpen.
Mit der Sonne im Gepäck wandern auf magischen Almpfaden
Einige Stunden früher am Tag beginnt unsere Etappe am Schwarzsee. Nach dem Regen des Vortages, der uns zu einem unfreiwilligen Ruhetag zwang, schafft es die Sonne langsam durch die Wolken.
Der Weg führt uns zunächst bergab. Vor meinen Augen erstreckt sich bald ein Tal, durch das unzählige, kleine und große grüne Hügel verlaufen. Ein bisschen wirken sie wie die Häuser der Hobbits aus Tolkiens Erzählungen. Die morgendliche Ruhe verleiht diesem Anblick etwas Andächtiges und Magisches, doch kurze Zeit später hören wir vereinzelte Kuhglocken. Bisher hörten wir auf unserem Höhenweg rund um Zermatt die Rotoren des Helikopters in schöner Regelmäßigkeit und vermissten das idyllische Glockengeläut bereits. Ohne Helikopter geht hier nichts wie wir bereits gelernt haben. Neben Hüttenversorgung und Bergrettung ermöglichen sie weniger passionierten Wanderern einen Blick auf Zermatt von oben. Das käme unserer neunköpfigen Truppe aber gar nicht in den Sinn! Wir bereuen keinen einzigen Schritt dieser Tour.
Mittagspause mit Freilichtkino am Matterhorn
An unserem letzten vollen Tag begleitet uns die Sonne den ganzen Weg über. Wir genießen in einer ausgiebigen Pause den Panoramablick auf das Matterhorn und seine umliegenden, schneebedeckten Gipfel. „Heute geht kein Einheimischer hoch auf’s Matterhorn. Es gab heute Nacht Neuschnee“ weiß unser österreichischer Bergführer Christian, der uns mit seinem Sohn Luis bereits die ganze Woche die schönen Seiten des Wallis zeigt. Tatsächlich beobachten wir wenig später wie zwei Helikopter ein gutes Stück oberhalb der bekannten Hörnlihütte immer wieder kreisen und schließlich den scheinbar verunglückten Wanderer zurück zur Hütte fliegen. Ich bin ganz froh, dass ich in diesem Moment gemütlich auf einem großen Stein sitzen und mein Trockenobst genießen kann – ich bin zufrieden mit der Besteigung des 3.104 m hohen Unterrothorns vor zwei Tagen.
Butzen, Oa und Kitsch
Auf unserem weiteren Weg Richtung Tagesziel vertreiben wir uns die Zeit mit Gipfelkunde, Fotografieren und Wörter raten. Luis macht sich einen Spaß daraus, unser Wissen rund um den österreichischen Dialekt zu testen. Wir haben keine Ahnung was ein „Butzen“ oder ein „Oa“ ist. Macht nichts. Lachend kommen wir nach einem kurzen Abstieg am Berggasthaus Trift an, lassen den Tag bei hausgemachtem Eistee mit den Füßen im Gebirgsbach ausklingen und staunen. Einmal, als wir live Zeuge der hiesigen Hüttenversorgung werden und ein roter Helikopter gleich zweimal die Wiese vor dem Berggasthof ansteuert. Ein zweites Mal am Abend, als die Sonne hinter den Gipfeln verschwindet, der Himmel lila-blau gefärbt ist und unser Hüttenwirt das Alphorn spielt. Kitschiger kann ein Tag hier oben nicht zu Ende gehen.
Ein letztes Mal Bergluft schnuppern
Am nächsten Morgen genieße ich bereits zur goldenen Stunde draußen ganz für mich allein die Stille der Berge und die atemberaubende Landschaft. Dann brechen wir auf – taleinwärts – und verabschieden uns vom Berggasthaus Trift und dem Wahrzeichen der Schweiz.
Auf den letzten Metern geht jeder aus der Gruppe seinen Gedanken nach und lässt die Wanderwoche Revue passieren. Die „Matterhornsteuer“ werde ich sicher nicht so schnell vermissen, aber die Natur, die Ausblicke und nicht zuletzt die Begegnungen mit Mensch und Tier behalte ich in sehr guter Erinnerung. Voll bepackt mit den tollen Eindrücken aus dem Wallis und genügend Souvenirs in Form von Käse und Schokolade geht es mit dem Zug wieder Richtung Niedersachsen.